Es gibt Tage, da ist mir alles zu viel. Da ist mein Leben einfach zu voll, da ist zu viel Arbeit, zu viel Streit, zu viel Stau, sind zu viele Erwartungen, ist zu viel Dreck, zu viel Lärm, zu viel Wäsche. Dann habe ich das Gefühl, dass nichts mehr geht. Ich fühle mich wie eine Aussätzige und hadere mit Gott, will geheilt werden. Andere bekommen das doch auch hin! Das muss doch mal aufhören! Da muss doch mal jemand Erbarmen mit mir haben! War denn da nicht jemand, der mir das gelobte Land versprochen hatte, der mich herausführen wollte aus der Wüste?
Dass da jemand sein könnte, der Heilung bringt, darauf hoffen auch die zehn Aussätzigen im Evangelium des 28. Sonntags des Lesejahres C, und als Jesus vorbeizieht, bleiben sie in gebührender Entfernung stehen und bitten ihn: Hab‘ doch Erbarmen mit uns!
Das Evangelium formuliert weiter so:
„Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und während sie zu den Priestern gingen, wurden sie rein.“
Für Jesus eine einfache Lösung, wenn nicht sogar die Lösung: Glaubt und es wird Euch geholfen! Und meint damit: So wie Gott Euch in die Wüste führt, so führt er Euch auch hinauf ins Land der Verheißung. Ihm könnt Ihr vertrauen! Und sie werden von ihrem Aussatz geheilt.
Doch die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende: Einer der Aussätzigen, ein Samariter, kehrt zu Jesus zurück, lobt Gott und dankt. Doch wo sind die anderen neun? Sie sind nicht gekommen. Jesus wundert sich:
„Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?“
Gott zu ehren, dankbar zu sein für das, was mir widerfährt, scheint hier nicht der übliche Weg zu sein. Und so ist es auch bei mir: Bei allem Alltagsstress, bei allem „Zuviel“, vergesse ich immer wieder, dankbar zu sein. Für manches Wunderbare, das da passiert. Für die kleinen Alltagsmomente, die guttun. Für das, was mir täglich geschenkt wird und für das ich manchmal keine Augen habe. Und für Gott, der mit im Spiel ist und in meinem Leben wirkt, auch wenn ich ihn nicht wahrnehme und der Himmel wieder mal über meinem Kopf zusammenzubrechen droht. Darauf will ich in Zukunft mehr Acht geben, denn Dankbarkeit ist doch eigentlich etwas ganz Wesentliches für uns Christen, oder?
Nicole Hoffzimmer
Author: Nicole Hoffzimmer
Nicole Hoffzimmer ist katholische Theologin und Liturgiewissenschaftlerin. Ihr Interesse gilt besonders der Verbindung zwischen Kirche und Kunst.
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